Volkstanz zwischen den Zeiten
Zur Kulturgeschichte des Volkstanzes in Österreich und Südtirol
Erstmals in ihrer Geschichte rückte die Bundesarbeitsgemeinschaft Volkstanz mit dieser Publikation die Volkstanzkultur ins Blickfeld einer umfassenden Betrachtung. Als ein Phänomen innerhalb des volkskulturellen Fundus erfuhr sie ihre Ausprägung im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Pflegerische, pädagogisierende, moralisch-ideologische und kulturpolitische Interessen waren formgebend. Die Rolle von Volkskultur als etwas scheinbar seit „Urzeiten“ von selbst Existierendes und folglich als „Personalausweis“ einer Kultur/Nation Gesehenes, wird am Beispiel „Volkstanz“ einmal mehr in Frage gestellt. Besonders spannend dabei ist, wie sich die wechselnden politischen Systeme darauf auswirkten. Impulsgebende Institutionen wie die Volksbildung und das Österreichische Volksliedwerk, Nationalisierungen, aber auch die Frage nach der Rolle von Tanz bei Minderheiten, MigrantInnen, in der Jugendkultur, in den Geschlechterollen, im Vereinswesen und bei Randkulturen wie Neonazis sind spannend aufgearbeitete Themen. Interessant sind weiters die Darlegungen, wie sich Volksmusik und Volkstanz gegenseitig beeinflussen. ForscherInnen, Volkstanzarchiven und -sammlungen wird erstmals in einer Übersicht breiter Raum gegeben. Abhandlungen über Kinder- und Jugendtanz und Volkstanz als Förderinstrument in der Sonder- und Heilpädagogik liefern Einblicke in die „Wirkung“ von Volkstanz auf kognitive und soziale Kompetenzen.
33 AutorInnen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und aus Volkstanzpraxis bieten mit 41 Aufsätze - vielfältige Zugangsweisen und breite thematische Streuung.
Die Publikation besteht aus zwei Teilen - einem Buchteil und einem DVD-Teil. Die DVD mit wissenschaftlichem Anspruch stellt die Basis des Buches dar und enthält neben den inhaltlichen Abhandlungen erweiterndes Bild-, Ton- und Filmmaterial. Das Buch selbst beinhaltet die Aufsätze in redaktionell bearbeiteter, gekürzter und bebilderter Form.
Helmut Jeglitsch, der Initiator des Buches, schreibt
Ein großes und über mehrere Jahre gelaufenes Projekt der Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz ist zu einem Ende gekommen. 33 Autoren haben 41 Beiträge und viele bisher unveröffentlichte Fotos geliefert und sich in sehr unterschiedlicher Weise dem bisher interdisziplinär sehr wenig beforschten Thema „Volkstanz“ angenähert.
Das Ergebnis ist ein großformatiges Buch von 285 Seiten mit den Kurzfassungen der Beiträge. Die Langfassungen mit Fußnoten und Quellehinweisen sowie zusätzliches Bild-, Film- und Tonmaterial befinden sich auf einer DVD, die dem Buch beigelegt ist.
Das gesamte Werk wurde im Rahmen der Sommerakademie des Österreichischen Volksliedwerkes www.Volksliedwerk.at am 25.8.2012 in Weyregg am Attersee der Öffentlichkeit vorgestellt werden Es kann dort oder im Büro der BAG zum Preis von € 39,90 plus Versandkosten erworben werden.
Das Buch polarisiert
(Dieser Text, verfasst von Else Schmidt, wurde dem Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der Wiener Volkstanzgruppen vom Herbst 2013 entnommen.)
Das Buch „Volkstanz zwischen den Zeiten“ hinterfragt kritisch die Geschichte des Tanzes und der Volkstanzbewegung, Volkstanz als Idee – und damit etwas, was vielfach als immerwährende Selbstverständlichkeit unseres volkstänzerischen Lebensfeldes empfunden wird. Das Hinterfragen polarisiert hörbar! Das Werk wird sehr gelobt, aber gleichzeitig mancherorts als Angriff empfunden, skeptisch gesehen. Untergriffig wird dann die naiv anmutende Frage aufgeworfen, wieso Identifikation, Gemeinschaft plötzlich suspekte Werte darstellen sollten?
Wie schon Konrad Köstlin, der em. Univ. Prof. für Europäische Ethnologie, formulierte, ist Identifikation notwendig für unsere Beheimatung, Verortung, Einbindung in die Gesellschaft (die aber nicht deckungsgleich mit Gemeinschaft oder „Volksgemeinschaft“ ist). Geschaffen wird sie auch über Symbole und symbolhafte Handlungen – wie etwa Volkstanz, Volksmusik, Tracht, spezifische Küche usw. Die Einbindung schafft Gemeinschaftsgefühl, das für den Menschen als soziales Wesen notwendig ist – und das in seiner Tragfähigkeit einen wesentlichen Beitrag zu einem humanitären Umfeld darstellt.
Aber: stets von neuem muss uns dabei die Frage begleiten, ob wir uns in unserer gewählten Gemeinschaft für elitär bzw. exklusiv halten? Wie verstehen wir uns und unser Tanzen – als Mythos oder Geselligkeit? Welche Bewertungen sind im Spiel?
Seit ihren Anfängen lebte die Volkstanzbewegung von „Papa Zoder“ und seinen Schülern, vielfach der Lehrerschaft angehörend und von der Jugendbewegung geprägt. Charismatische Persönlichkeiten, Autoritäten vermittelten ein intensives Gemeinschafts- und Lebensgefühl mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein. Personen politisch unterschiedlicher Ideologien konnten sich hier verbinden und eine gemeinsame Idee schaffen. In einer Kontinuitäten suchenden „Volkstumsarbeit“ wurde Homogenisierung gesucht, ein System von allgemeingültigen, überzeitlichen und verbindlichen Regeln. Reflexionen über das verfolgte Kulturkonzept wurden auch nach dem 2. Weltkrieg nicht geführt, waren doch die handelnden Personen als Autoritäten anerkannt und die Sachverhalte „in die Herzen geschrieben“?!
Wenn nun spät, aber umso notwendiger reflektiert und aufgearbeitet wird, tut das natürlich vielfach weh! Wer von uns lässt sich schon gern liebgewordene Erinnerungen realistisch zurechtrücken? Je emotionaler die Bindung an die Erinnerung, desto schwieriger gestaltet sich bekanntlich der distanzierte Blick, der mit Wissen um die Entwicklung auch ein Überdenken der Positionen nahe legt! Oder wie es Olivier Assayas ausgedrückt: „Wir leben zwei Leben – das reale und das unserer Imagination, unsere Erinnerungen bestehen immer aus beiden gemeinsam. Aber wenn es nur um meine eigenen persönlichen Erinnerungen gehen würde, dann wäre die Geschichte ja automatisch sehr klein.“
Möge uns nicht nur eine kleine Geschichte des Volkstanzes gelingen!
Und Sie?
Dieses Buch lässt offensichtlich niemanden kalt.
Möchten Sie mitreden über die Gedanken, die dieses Buch aufwirft, dann bestellen Sie es am Besten gleich. Erhältlich ist es beim Österreichischen Volksliedwerk und im Büro der BAG in Graz zum Preis von € 39,90 plus Versandkosten.