Volkstanz im Internet 34

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März 2024

Heute möchte ich wieder einmal zum Thema „Was ist Volkstanz“ schreiben.

Ich behaupte, unser Volkstanz, den wir alle so lieben, ist eigentlich erfundene Tradition, was mit diesem Ausdruck gemeint ist, können Sie in Wikipedia lesen.

Wir alle haben gehört, Volkstanz sei der Tanz des einfachen Landvolkes, stamme aus dem Volk, und die Volkstanzpflege habe die Aufgabe, dieses ursprüngliche und deshalb natürlich wertvolle Kulturgut ohne jede Änderung zu pflegen, es dann der Landbevölkerung zurückzugeben und damit vom Aussterben zu bewahren. So ähnlich hat es schon Raimund Zoder vor über 100 Jahren formuliert.

Fast nichts an dieser Aussage ist richtig, das meiste ist eigentlich erfunden. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass schon Zoder aus ideologischen Gründen dies tatsächlich glaubte.

„Tanz des einfachen Landvolkes?“ Ich merke, auch durch meine Arbeit mit Dancilla, immer mehr, dass fast alle bei uns mühsam und verdienstvoll aufgezeichneten Tänze nur Überreste von allgemein europäischen Gesellschaftstänzen sind.

„Aus dem einfachen Landvolk stammend?“ Ich meine, dies ist ein ideologisches Märchen. Sogar die wenigen wirklich im Volk entstandenen Tänze wurden von einzelnen gestaltet oder umgestaltet, wie ich etwa beim Treskowitzer Menuett gezeigt habe. Und viele wurden von reisenden Tanzleitern verbreitet. Etwa von einem Tanzmeister Turek, der schon in den 1920ern in Klosterneuburg und vielen anderen Orten lehrte, bei dem meine Mutter tanzen lernte, bei dem auch ich noch 1953 meine ersten Tanzschritte machte. Er lehrte nicht nur Marsch, Tango und Fox, sondern etwa auch Neubayrischer, Jägermarsch, Ungarisch Schottisch, Rheinländer, Washington Post (das entsprach unserer Kuckuckspolka). Und derartige reisende Tanzlehrer gab es wohl mehr. ]] „Ursprüngliches Kulturgut?“ Diese früheren Gesellschaftstänze stammen großteils aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert, bestenfalls aus dem 18. Jahrhundert, sind also gar nicht so alt, wie oft behauptet wird. Allerdings, für mich sind sie trotzdem wertvoll.

„Pflege ohne Änderung?“ Das habe ich in Gestalteter Tanz schon vor Jahren versucht, zu hinterfragen. Alle Aufzeichner, schon Zoder, haben einige ihrer Aufzeichnungen bewusst geändert, aus verschiedensten Gründen. Oft, um sie als Vorführtänze besser verwenden zu können, oft auch aus ideologischen Gründen. Beim Feistritzer Ländler habe ich das in Dancilla beschrieben. Auch etliche andere Tänze haben bereits Zoder sowie etliche seiner Schüler entgegen der ursprünglichen Aufzeichnung geändert. Ich habe sogar den begründeten Verdacht, etwa beim Schottisch aus Schönbach, dass oft schon die Aufzeichnung bereits mit Hinblick auf zukünftige Weitergabe geändert und geglättet wurde.

Herbert Lager hat es auf den Punkt gebracht, wenn er meinte: „Volkstänze ändern darf nur, wer dazu das nötige Fingerspitzengefühl besitzt.“ Dabei zeigte er auf seinen Finger, denn offensichtlich sprach er sich selbst dieses Fingerspitzengefühl zu.

Dazu kommt: unsere verdienstvollen Volkstanzaufzeichner erforschten zwar die Tänze in den entlegensten Gegenden, vom hintersten Alpental bis weit über die Karpaten. Das ist zwar sehr in Ordnung, aber in nicht so entlegenen Gegenden forschte niemand, denn niemand erwartete, hier ursprüngliches Kulturgut zu finden. Ich glaube, ich bin der erste, der in der Stadt Klosterneuburg forschte. Aber auch hier wurde getanzt, und die Tänze waren gar nicht so anders wie die sogenannten „uralten Tänze des Landvolkes“, wie es Wolfram einmal nannte. Außerdem wurden, vielleicht aus ideologischen Gründen, vielleicht aus mangelnder Sprachkenntnis, immer nur die Tänze der deutschsprachigen Bevölkerung erforscht. Dabei waren die Tänze der anderen Völker dieser Regionen oft die gleichen, wie etwa die weit verbreitete Zigeunerpolka zeigt.

Ich meine auch, sogar diese entlegensten Gegenden waren gar nicht so entlegen und ursprünglich, wie es heute noch immer dargestellt wird. Im Österreichischen Kaiserreich wurden alle jungen Burschen zum Heer eingezogen, lernten dort nicht nur exerzieren, sondern sicher auch in der kargen Freizeit tanzen oder singen. Waren sie musikalisch, kamen sie zu einer Regimentskapelle, lernten dort musizieren, und zwar sicher nicht nur Regimentsmärsche, wie heute ja auch. Dieses Wissen konnten sie dann später zu Hause an ihre Nachbarn weitergeben. Und natürlich gab es zusätzlich Handwerker, die so wie der oben angeführte reisende Tanzlehrer überall hin kamen und dort nicht nur Trachten oder Schuhe nähten, sondern Tänze, Lieder, Melodien irgendwo lernten und dann irgendwo weitergaben. Das gleiche galt für alle Dorfschullehrer, etwa für den bekannten Hans Gielge.

Aber was ist unser trotz all dem geliebter Volkstanz für uns heute?

Er ist Tanz für das ganze Volk, für die ganze Bevölkerung, nicht nur für das einfache Landvolk – oder könnte es zumindest sein. Er stärkt die soziale Einstellung, stärkt die Gemeinschaft. Er ist nicht nur Einzelpaartanz, ist nicht nur für ein Paar geeignet, dem die anderen Paare immer im Weg stehen. Er ist Gemeinschaftstanz. Jeder kann mittanzen, ohne tänzerische Vorkenntnisse, ohne kostenpflichtige Schulungen oder gar Ballettausbildung. Er besteht zum größten Teil aus doch ziemlich lange bewährten Figuren, die einfach zu erlernen oder sogar abzuschauen sind.

Volkstanz ist schön trotz all dieser oben angeführten nationalistisch angehauchten Märchen und Reinheitsgebote, die unsere trotzdem verdienstvollen Volkstanzpäpste aufgestellt haben. Denn:

Volkstanz macht Spaß!

Franz Fuchs

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